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Weitere Ursachen und interessante Beispiele

Über die Einteilung in direkte, indirekte oder gesamtwirtschaftlicher Art hinaus können Rebound-Effekte auch in

  • finanzielle
  • materielle,
  • psychologische und
  • Cross-Factor-Effekte

kategorisiert werden (Santarius 2012: 11-18), wobei sich die Effekte auch überschneiden können.

Finanzielle Rebounds: Beispielsweise führt ein geringerer Verbrauch bei Autos dazu, dass viele Fahrer durch die Kosteneinsparungen an der Tankstelle mehr fahren. Das gleiche gilt für den Umstieg auf effizientere Beleuchtung, die länger angelassen wird. Oder das eingesparte Geld fließt in den Konsum anderer Güter oder Dienstleistungen, die ebenfalls mit Energie- oder Ressourcenverbrauch verbunden sind, z.B. in eine zusätzliche Urlaubsreise. Unternehmen können eingesparten Energiekosten nutzen, um die Produktion auszuweiten, die Produkte attraktiver zu machen oder die Löhne zu erhöhen. Eine ausgeweitete Produktion bedeutet höherer Energieeinsatz, attraktivere Produkte bedeuten z.B. eine stärkere Motorisierung bei Autos und höhere Löhne bedeuten zusätzliche Kaufkraft der Angestellten, alles verbunden mit höherem Energieverbrauch.

So sind auch bezogen auf die (globale) gesamtgesellschaftliche bzw. gesamtwirtschaftliche Situation finanzielle Rebound-Effekte zu beobachten. Sinkt durch effizientere Motorentechnik oder sparsame Verhaltensweisen die Nachfrage nach Öl bedeutet das auch, dass Öl (weltweit) tendenziell billiger wird und so (andernorts) der Anreiz steigt, ein Auto zu kaufen.

Materielle Rebounds: Darunter werden Effekte betrachtet, die in erster Linie einen erhöhten Ressourcenverbrauch beinhalten. Neue, effizientere Produkte benötigen bei der Herstellung unter Umständen einen höheren Einsatz von Energie oder Material. Eine komplette Elektrifizierung des Autoverkehrs würde, neben der Umstellung der erforderlichen Produktionsprozesse, z.B. Herstellung der Akkus, auch eine neue Infrastruktur, insbesondere elektrische Leitungen und Ladestationen benötigen, die gebaut und betrieben werden muss. Auch können Güter „angehäuft“ werden, z.B. wenn der neue, effiziente Kühlschrank den alten nicht ersetzt, sondern dieser im Keller weiterbetrieben oder an die Kinder zur weiteren Nutzung verschenkt wird. Gesamtgesellschaftlich kann dies große Auswirkungen haben.

Psychologische Rebounds: Hierbei wird ein ökologischeres oder effizienteres Gut aufgrund des guten Gewissens öfters genutzt. Autofahrer mit Hybridwagen fahren so mehr Kilometer als vorher mit ihrem herkömmlichen Auto, eben weil der Hybrid effizienter ist. Ebenso werden effiziente Lampen unter Umständen länger angeschaltet gelassen, „weil die ja nicht viel verbrauchen“. Und der Einbau einer neuen Heizung kann uns dazu veranlassen, nicht mehr so auf ein gekipptes Fenster zu achten. Wissenschaftlich beobachtet wurde auch ein „Ich habe nun so viel Energie gespart, jetzt gönne ich mir etwas dafür!“. So mag das Umrüsten auf effiziente Lampen die Anschaffung eines größeren Fernsehers rechtfertigen.

Cross-Factor-Rebounds: Diese Mechanismen könnten auch nicht nur unter Rebound-Effekten, sondern unter allgemeinen Wachstumseffekten betrachtet werden. Da dennoch ein enger Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Effizienzverbesserungen besteht, sollen die folgenden Effekte mit aufgeführt werden (vgl. Madlener/Alcott 2011: 6f).

Anders als die oben betrachteten Rebound-Effekte können andere Faktoren außerhalb einer direkten Steigerung der Energieeffizienz ebenfalls eine Mehrnachfrage nach Energie auslösen. Hier steht der Begriff der Produktivitätssteigerung im Mittelpunkt. Wie eben gezeigt führt die Steigerung der Energieproduktivität (der Energieeffizienz) nicht unbedingt zu verlässlichen Energieeinsparungen. Zum Vergleich: Die Steigerung der Arbeitsproduktivität führt ebenso kaum dazu, dass Arbeitsplätze wegfallen. Die produzierten Güter und erbrachten Dienstleistungen je Arbeitsstunde sind in den letzten Jahrzehnten um ein Vielfaches gestiegen (1950 bis 2015 um das Siebenfache in Deutschland – Fink 2015; Stat. Bundesamt 2019, 50), die Arbeitslosigkeit ist hingegen nicht in dem Maße fortgeschritten. Mit anderen Worten, die Wirtschaft ist enorm gewachsen, die Arbeitslosigkeit nicht. Dabei haben bspw. die Robotertechnik im Automobilbau und der Computereinsatz im Büro die Autobauerinnen und Autobauer oder Sekretärinnen und Sekretäre nicht in dem Ausmaß ersetzt, wie vielleicht im Vorfeld solcher Neuerungen gedacht. Hier ist gut ein gesellschaftlich wünschenswerter Rebound-Effekt erkennbar: Bislang hat eine Erhöhung der Produktivität auch eine Mehrnachfrage nach Arbeit auslöst und Arbeitsplätze geschaffen bzw. gesichert. Ebenso kann davon ausgegangen werden, dass nicht nur eine Steigerung der Arbeitsproduktivität, sondern auch eine Steigerung der Kapitalproduktivität die Wirtschaft ankurbelt.

Eine Folge von Produktivitätssteigerungen ist, dass der Energiebedarf steigt (Turner et al. 2009, nach Santarius 2012, 16). Produktivitätssteigerungen, z.B. durch Motoren oder Roboter, welche die Muskelkraft von Menschen durch Energieeinsatz substituieren, erhöhen die Energienachfrage. Bzw. diese Produktivitätssteigerungen sind erst durch den Energieeinsatz möglich. Werden nun diese Technologien zusätzlich noch effizienter, kann die Produktivität weiter erhöht werden. So ist eine wachsende Energienachfrage oft Folge und/oder auch Grundlage einer erhöhten Arbeitsproduktivität (vgl. Santarius 2012, 16f).

Im Bereich Mobilität ist der Rebound-Effekt besonders interessant. Über Kulturen, Länder und Epochen hinweg ist nachweisbar, dass der Mensch ca. 45 bis 90 Minuten am Tag „unterwegs“ ist. Diese Zeit verbringen Menschen in weniger technologisch entwickelten Ländern typischer Weise auf dem Fußweg von Dorf zu Dorf, während in den technologisch weiter entwickelten Ländern diese Zeit in der Regel im Auto verbracht wird, in beiden Fällen z.B. beim Pendeln zwischen Arbeit und Zuhause. Eingesparte Wegzeit wird dabei durch weitere Strecken kompensiert, und die Menschen sind weiterhin ihre 45 bis 90 Minuten unterwegs. Durch die Möglichkeit ein Auto zu nutzen, wird die Wegzeit effizienter genutzt. Offensichtlich fahren wir aber nicht ausschließlich die gleiche Strecke in kürzerer Zeit, sondern wir fahren durchschnittlich länger/weiter. Was dann einen Rebound-Effekt durch den Energieverbrauch bei der Überwindung größerer Strecken in der gleichen Zeit generiert (Knoflacher 2007, nach Santarius 2012, 18).

Als letztes Beispiel sei die Nutzung des Internets erwähnt. Heutzutage sind mit den schnelleren, digitalen Verbindungen und leistungsstärkeren Rechnern viel mehr Klicks je Minute möglich, als früher mit dem 56K Modem und der analogen Telefonverbindung. Dies bedeutet ebenfalls eine Art der Zeiteffizienz, in der mehr Webseiten angeschaut werden können. Aber auch hier schauen wir nicht in der gleichen Zeit einfach mehr Webseiten an, sondern wir nutzen das Internet länger. Dabei ist der Energieverbrauch in diesem Bereich seit den 1990er Jahren natürlich stark angestiegen, da wir nicht nur tendenziell mehr Zeit vor dem Rechner verbringen, sondern auch der Datentransport über die Server, Leitungen und den Rechner zu Hause größer und damit energieintensiver geworden ist (vgl. Santarius 2012, 18).